Freitag, 26. Juli 2019

QualiFiction – Das Buch in Zahlen


Über einen Artikel in der Welt wurde ich heute auf den Service Qualifiction aufmerksam (https://www.qualifiction.info), einen Dienst der sich mit „Software zur Analyse von Texten & Bewertung von Bucherfolgen“ beschäftigt. Als Wissenschaftler und Zahlenjunkie konnte ich da nicht widerstehen!
Im Folgendem werde ich euch daher die Ergebnisse zu zwei meiner Bücher präsentieren und kommentieren. Als Beispiele habe ich folgende meiner Werke ausgewählt:

Von diesem Buch wurden ca. 12.000 Exemplare verkauft. Definitiv kein Bestseller aber im Bereich Selfpublishing durchaus ein kleiner Erfolg.

Mit 100 bis 150 verkauften Exemplare ein wunderbar erfolgloses Buch (ich mag es trotzdem).

Meine Erwartungen 

Ich möchte wissen, was in meinen Texten drinsteckt, wo ich stilistische Schwächen oder vielleicht auch Stärken habe und was dabei eigentlich alles bewertet wird und als gut gilt. Wobei für letzteres auch ein kostenfreier Demo-Account ausreicht.
Vor allem erwarte ich aber eine Antwort darauf, warum ein Buch ganz gut läuft, während das nächste total floppt.

 

Die Versprechungen 

Die KI-Software LiSA analysiert deine Texte. Das Wissen aus der Verlagsbranche auch für Autoren.
Bezüglich der Ergebnisse verstrickt QualiFiction in einen Widerspruch. Zum einem wird die „Bewertung von Bucherfolgen“ auf der Website offensiv angepriesen, zum anderen steht in den FAQs die Analyseergebnisse sind wertfrei und helfen dabei persönliche Ziele zu erreichen. Ja, die Kollegen vom Marketing haben sich da mal wieder was ausgedacht!

 

Nutzerfreundlichkeit 

Der Dienst ist sehr einfach zu nutzen. Es reicht die Erstellung eines Accounts und dessen Freischaltung. Eine Buchanalyse kostet fix 49€ und kann nach dem Kauf über die Website ohne relevante Wartezeiten starten.
Das Preismodel ist sehr einfach gehalten, der Umfang des Buches spielt keine Rolle. Über die Höhe des Preises lässt sich wie immer streiten. Da die Leistung schon sehr speziell ist, halte ich die Kosten für akzeptabel.
Für die Analyse des Buches muss es in elektronischer Form vorliegen, dabei werden die übliche Standardformate unterstützt. Ein Autor sollte hier keinerlei Probleme haben. Upload und Analyse dauern zusammen ca. 10 bis 20 Sekunden. Alle Ergebnisse sind sofort verfügbar und sind jeweils mit Erläuterungen versehen.

Insgesamt gut gemacht!

Ergebnisse


Die Resultate der Analysen bestehen jeweils aus einer Gegenüberstellung der beiden Bücher „Am Ende der Zeiten“ und „1337“, sowie einem mehr oder weniger qualifizierten Kommentar meinerseits.

Themenanalyse


Genre-Empfehlung


Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern


1337 - Game Over


Keine Überraschung, bei beiden Büchern handelt es sich um Science-Fiction. Bei „1337“ wird korrekt der leichte Anteil aus dem Fantasy-Genre erkannt.

Top-50 Wörter


Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern

1337 - Game Over



Die Hauptpersonen stehen klar im Mittelpunkt. Es gibt einige Wörter die mich zum Grübeln bringen: Mann, Finger, weit, letzt, tief. Die sollen tatsächlich zu meinen Top 50 gehören? Bei der Auswahl wurden laut Beschreibung bereits einfache Verben und anderes herausgefiltert, und trotzdem stehen dort sowas dort mit drin. Eventuell ein Punkt den es zu überdenken gilt.

Top 10 Themen

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern


1337 - Game Over

Es ist schon überraschend worüber ich da eigentlich schreibe!
Der Bogen neben dem Balken beschreibt übrigens den Fokus. Ein ungefähr zur Hälfte gefüllter Bogen entspricht dem durchschnittlichen Fokus in dem Genre. Ich scheine überfokussiert zu sein.


Themen-Konzentration


Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern
1337 - Game Over


Beide Bücher weisen eine extrem hohe Themenkonzentration auf. Die Bücher haben einen starken Focus auf wenige Themen. Ist das gut oder schlecht? Schwierig zu bewerten!
SF-Bestseller weisen jedenfalls deutlich höhere Bandbreite an unterschiedlichen Themen auf.

Thematische Exklusivität

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern
1337 - Game Over






Erneut zwei extrem hohe Werte. Laut Beschreibung wird hier der Themenmix bewertet. 0% bedeutet, dass die Verteilung der Themen dem Durchschnitt aller Genres entspricht (der Mainstream). Science Fiktion weicht davon grundsätzlich stark ab, und ich weiche davon nochmal eine ganze Ecke weiter ab. Ich schreibe also in einer eher untypischen Themenkonstellation.
SF-Bestseller sind interessanterweise wesentlich dichter am typischen Themenmix. Dies ist verständlich, im Mainstream liegt die Masse, dort liegt der Umsatz.

Zwischenfazit:

Eine durchaus interessante Analyse!
Beide meiner Bücher kennzeichnen sich durch ein untypisches und zudem schmales Spektrum an Themen. Vermutlich vernachlässige ich bestimmte Themen komplett. Welche das sind, sollte ich auf jeden Fall mal genauer untersuchen.

Sentimentanalyse

 

Sentiment Verlauf


Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern

1337 - Game Over

 
Aus dem Verläufen stechen einige Abschnitte hervor, die sich durchaus bestimmten Teilen des Buches zuordnen lassen.
Bei „Am Ende der Zeiten“ ist z.B. sehr gut die Stelle erkennbar, an der zu Beginn des Buches die Hauptperson stirbt. Das gibt einen kräftigen Zacken nach unten.
Der Sentimentverlauf bei „1337“ ist auch halbwegs nachvollziehbar. Es fängt düster an, wird dann etwas seichter, bevor die Story richtig losgeht.
Hier finde ich die Darstellung der Ergebnisse misslungen. Es wäre sinnvoll Kapitel automatisch zu erkennen, um dem Autor eine bessere Verbindung zum Text zu ermöglichen. Am liebsten würde ich auf einen Punkt der Grafik klicken können, um direkt den dazugehörigen Text zu sehen.

Mittleres Sentiment

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern
1337 - Game Over
 

SF-Bücher scheinen generell nicht sehr optimistisch geschrieben zu sein. Meine noch weniger.

Sentimentänderungs-Geschwindigkeit

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern
1337 - Game Over


Was habe ich denn bei „1337“ gemacht? Stimmungswechsel im Sekundentakt?
Hier lohnt es sich den Sentiment-Verlauf beider Werke nochmal in einer höheren Auflösung anzuschauen.

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern


1337 - Game Over


Bei „1337“ zeigen sich extreme Stimmungswechsel in einer sehr hohen Frequenz. Ein Ergebnis, dass ich so nicht erwartet habe. Da hier allerdings die Verbindung zum Text nur schwer nachvollziehbar ist, fällt es mir schwer, die tatsächlichen Ursachen nachzuvollziehen.


Stil und Statistik


Dieser Abschnitt umfasst sehr viele Ergebnisse, ich beschränke mich daher auf einige ausgewählte Grafiken.

Anzahl der Wörter


Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern

1337 - Game Over


Die Anzahl der Wörter meiner Bücher ist mir natürlich bekannt und nichts Überraschendes. Interessant ist hier, dass Science-Fiction Bücher im Mittel um die 86.000 Wörter haben, aber SF-Bestseller im Mittel bei über 150.000 Wörtern liegen. Das Bestseller-Mittel für Allgemeine Belletristik liegt übrigens bei ca. 100.000 Wörtern.
Wer in der SF unter 600 Seiten schreibt kann gleich weider einpacken!

Vokabular-Diversität


„Die Diversität gibt an, wie viele Wörter sich in einer durchschnittlichen Auswahl von 100 Wörtern befinden, wenn Duplikate jeweils nur einmal gezählt werden.“

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern


1337 - Game Over


SF-Bücher, besonders die Bestseller zeichnen sich durch eine sehr hohe Diversität aus. Wortdoppelungen kommen also seltener vor. Meine beiden Werke sind diesbezüglich unterdurchschnittlich bewertet worden. Ein klarer Hinweis auf die zu häufige Verwendung gleicher Begriffe.


Vokabular-Exklusivität


„Die Vokabular-Exklusivität ist ein Maß für die Seltenheit / Ausgefallenheit des verwendeten Vokabulars.„

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern


1337 - Game Over


SF-Bestseller scheinen sich durch besonders ausgefallene Wörter auszuzeichnen. Während meine Bücher hier eher am Durchschnitt liegen.

Wortarten-Verwendung


Hier werden insgesamt 8 unterschiedliche Wortarten analysiert. Ich beschränke mich auf zwei, die bei mir am stärksten vom Durchschnitt abweichen (Substantive, Konjunktionen).
Auf besonderen Wunsch auch gerne noch die Verben:

Verben
Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern
1337 - Game Over

Substantive
Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern
1337 - Game Over


Konjunktionen

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern

1337 - Game Over


Die Unterschiede meiner Schreibweise zum Durchschnitt sind bei diesen beiden Wortarten enorm. Es scheinen keine Eigenschaften des jeweiligen Buches zu sein, sondern tatsächlich auf den Autor bezogene Stilmerkmale. Etwas, das mir bisher nicht in dieser Form bekannt war.

Figuren und Beziehungen

Direkte Rede

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern


1337 - Game Over



Eine Analyse des Anteils an direkter Rede. "Am Ende der Zeiten" trift das Bestseller-Mittel, bei „1337“ war ich etwas maulfaul, was aber im Vergleich zur Verteilung der Referenzen nicht sonderlich ungewöhnlich zu sein scheint.

Top-20 Hauptfiguren und ihre Beziehungen


Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern

1337 - Game Over


Jim und Healy haben eine Beziehung zu Jims Nacken!
Eine schöne Darstellung, die einem die Bedeutung und Vernetzung der Charaktere aufzeigt. Letztendlich aber nichts Überraschendes. Die Grafik zeigt nur genau das, was ich ja selbst geschrieben habe.

Figuren Konzentration

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern

1337 - Game Over


Die Ergebnisse sind in beiden Fällen gut nachvollziehbar. In „Am Ende der Zeiten“ konzentriert sich die Story um drei Charaktere herum, während in „1337“ eine Hauptperson im Focus steht. Beide Varianten scheinen häufig aufzutreten und sind als üblich zu bewerten. SF-Bestseller scheinen eher zu mehreren Hauptpersonen zu tendieren, was aufgrund des hohen Umfangs der Bücher nachvollziehbar ist.


Bestseller Score

Am Ende der Zeiten - Der letzte Stern
1337 - Game Over


BÄÄMMM! Keine Chance auf einen Bestseller.

Die vorangegangenen Ergebnisse ließen es bereits vermuten. Die Abweichungen zu dem bestehenden SF-Bestseller-Mittel wurde bereits vorher deutlich. Keines meiner Bücher hätte in der aktuellen Form auch nur den Hauch einer Chance von einem Verlag angenommen zu werden.

Fazit

Es handelt sich bei dem Service um einen Vergleich von statistischen Textmerkmalen mit einer sicherlich sehr umfangreichen Referenzdatenbank. Wieviel KI in der Software tatsächlich steckt ist unklar. Ich persönlich würde sagen, dass dort nicht primär ein selbstlernendes neuronales Netz im Hintergrund arbeitet, es wirkt eher wie ein statischer Auswertealgortihmus.
Aber egal, was bringt mir das als Autor?
Die Ergebnisse zeigen, dass mein Schreibstil vom Genre-Durchschnitt sowie den typischen Bestseller Merkmalen abweicht. Folgende Punkte sind dabei besonders auffällig:
  • Hohe Themenkonzentration
  •  Schnelle und extreme Stimmungswechsel bei „1337“
  •  Die besonders häufige oder auch seltene Verwendung bestimmter Wortarten

Hier lohnt es sich darüber nachzudenken, wo ich mich verbessern könnte. Ganz klar ein wertvolles Ergebnis. Die Resultate geben mir interessante Ansätze und können mir tatsächlich helfen „persönliche Ziele zu erreichen“.
Die Analyse ist allerdings alles andere als „wertfrei“. Sicher, hinter den Zahlen steht eine emotionslose Maschine. Aber kaum ein Mensch wäre in der Lage die Ergebnisse „wertfrei“ zu interpretieren.

Obwohl sich beide Bücher hinsichtlich des tatsächlichen Erfolgs stark unterscheiden, ist das Scoring praktisch gleich (-schlecht). Der Erfolg eines Buches kann hier definitiv nicht ermittelt werden. Aus meiner Sicht sind die Erfolgsfaktoren eines Buches wesentlich vielfältiger als das, was hier geprüft wird.

Würde ich diesen Service erneut nutzen?
Vermutlich nicht, ob ein einzelnes Buch erfolgreich sein wird, läßt sich damit nicht ermitteln. Und bereits zwei Analysen haben mir hinreichende Hinweise über eventuelle Schwächen meines Schreibstils offenbart. Ein ganz großes Problem ist für mich die Preisgestaltung. Eine Zahlung bedeutet eine Analyse. Will man eine überarbeitete Version testen, muss man erneut zahlen. Hier wird ein ganz entscheidender Bedarf von Autoren nicht berücksichtigt. Sinnvoll wäre es X mal eine erneute Prüfung des Textes zuzulassen (Stärkung der Kundenbindung). Dazu müsste eine automatische Prüfung eingeführt werden, ob der neue Text zu einem Mindestmaß der Originalversion entspricht, um Missbrauch zu vermeiden.

Mir drängt sich eine These auf: Wenn Verlage diese Software tatsächlich nutzen, um Bücher vorauszuwählen, dann würde damit ein bestehender Durchschnitt zementiert werden, da Abweichungen erst gar nicht mehr zur Veröffentlichung kommen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen